Claudia Gigler, Daniela Kraus, Barbara Todt und Martina Madner, © Katharina Schiffl

Was tun gegen Hass und Diffamierung im Netz?

Das Klein-Machen von Frauen hat System: Worauf frau gefasst sein muss, was der Hass im Netz mit den Journalistinnen macht und wie man sich dagegen wehrt – darüber wurde auf Initiative des Frauennetzwerks Medien in den Räumlichkeiten der Volksanwaltschaft leidenschaftlich diskutiert. Hier können Sie die Diskussion nachhören.

Barbara Tóth ist Journalistin bei der Wochenzeitung „Der Falter“: Sie benennt den Hass im Netz. Sie lässt Fakten gegen Vorverurteilungen sprechen. Sie hat als erste akribisch beschrieben, in welchem Netz von Machtmissbrauch, billiger Revanche und unkontrollierbarer Hetze in den Medien sich die österreichisch-deutsche Spitzenjournalistin Alexandra Föderl-Schmid gefangen fand.

Daniela Kraus ist Generalsekretärin des Presseclubs Concordia. Sie kennt die österreichische Medienlandschaft und die Nöte der Journalistinnen aus der Innensicht. Sie weiß um die juristischen Lücken, die Frauen in der Defensive fesseln und ohnmächtig bleiben lassen. Sie hat durch eine Aussendung, die vielfach zitiert wurde, dazu beigetragen, dass Föderl-Schmid öffentliche Unterstützung erfuhr.

Claudia Gigler ist freie Journalistin, die sich hier bei diffamierung.net gemeinsam mit Aktivistinnen aus Österreich, Deutschland und der Schweiz engagiert, um zu zeigen, was ist, um dafür zu kämpfen, was sein sollte, und um zu verhindern, dass Frauen zum Rückzug und zum Schweigen verurteilt werden, nachdem sie sichtbar, hörbar und zur Angriffsfläche geworden sind.

An Fakten mangelt es nicht. Es gibt zahlreiche Studien, zuletzt, im Jahr 2023, jene des deutschen Kompetenzwerkes gegen Hass im Netz unter dem Titel „Lauter Hass – leiser Rückzug“: Fast jede zweite Person (49%) wurde demnach schon einmal online beleidigt, besonders betroffen sind Frauen. Der Hass wirkt: Mehr als die Hälfte der Befragten bekennt sich aus Angst im Netz seltener zur eigenen politischen Meinung (57%), beteiligt sich seltener an Diskussionen (55%) und formuliert Beiträge bewusst vorsichtiger (53%).

Woher kommt der Hass?

Was tun gegen Hass und Diffamierung im Netz? Warum richtet sich dieser Hass so oft gegen Journalistinnen? Und wie kann verhindert werden, dass die Diffamierung als Produkt dieses Hasses die Frauen buchstäblich ihrer Existenz beraubt?

Barbara Tóth beschreibt diesen Hass und wird dafür selbst entsprechend angegriffen. Sie definiert Hass im Netz (auch) als Element der Far-right-Bewegung, als zielgerichtetes Instrument, um Gegner:innen auszuschalten und die Massen gegen das „Establishment“ (und die Medien, die als Stützen des „Systems“ diskreditiert werden) aufzuwiegeln und hinter der eigenen Kampagne zu vereinen.

Daniela Kraus diagnostiziert das Ziel: „Es geht darum, die Medien, uns Journalistinnen unglaubwürdig zu machen“. Siehe das Beispiel der stellvertretenden Chefredakteurin der Süddeutschen Zeitung, Alexandra Föderl-Schmid, der – wie sich jetzt dank einer Feststellung der Uni Salzburg endlich klärte– zu Unrecht Plagiatsvorwürfe gemacht wurden, um sie in ihrer journalistischen Kompetenz anzuzweifeln.

Was tun gegen Hass und Diffamierung im Netz?

Schlimm für die Medien, schlimmer für Journalistinnen, noch schlimmer, wenn die Angegriffenen auch nicht die Macht etwa eines Verlagshauses hinter sich wissen. In der Volksanwaltschaft – geladen hatte Volksanwältin Gaby Schwarz, die selbst vielfach Opfer von Hass im Netz wurde und ein Lied davon zu singen weiß – wird vor allem auch darüber diskutiert, wie man Expertinnen, die in Panels oder durch Interview mit Medien sichtbar werden, stärken und schützen kann.

Claudia Gigler weiß zu berichten, dass zu Beginn der Pandemie ungewohnt viele weibliche Expertinnen in Erscheinung traten, weil diese in den betreffenden Fachgebieten besonders gut vertreten sind. Als sich der Hass im Netz gegen Impfbefürworter, Wissenschaftler:innen im allgemeinen und das vermeintlich manipulative „System“ immer mehr aufschaukelte, zogen sich diese Expertinnen bewusst zurück, um nicht weiter Zielscheibe dieses Hasses zu sein.

Erkennen, vernetzen, stärken

Der Rückzug der Frauen als Erfolg von Diffamierung – dagegen zieht diffamierung.net zu Felde. Claudia Gigler benennt, was hilft: Zu wissen, dass Diffamierung etwas ganz anderes ist als „Kritik“ oder womöglich „Spaß“, wie es häufig (hauptsächlich von Männern) artikuliert wird; sich dessen bewusst zu sein, dass Diffamierung nie die „Schuld“ des Opfers, sondern eine Strategie der Täter ist, zu deren eigenem Vorteil; sich sicher zu fühlen im Wissen um ein Netzwerk von Frauen, die wissen, die unterstützen, die sich solidarisch zeigen. Oft reicht der Austausch, um wieder Boden unter den Füßen zu bekommen. Am schlimmsten ist für Betroffene oft das mit der Ohnmacht verbundene Gefühl der Einsamkeit.

In Ihrer Funktion als Vorstandsmitglied von Felin (Female Leaders Initiative) berichtet Claudia Gigler auch von der Expertinnendatenbank frauendomaene.at, die es österreichweit schon länger gibt und die nun verstärkt im Süden des Landes, in der Steiermark, ausgerollt wird. Expertinnen werden vor den Vorhang gebeten, um auf Bühnen und in den Medien sichtbar zu werden. Gleichzeitig werden sie innerhalb des Netzwerks  von Felin darauf vorbereitet, dass sie damit angreifbarer werden als zuvor, dass es aber ein Netzwerk von Frauen gibt, das sie stützt.

So viel Hass, so viel Widerstand, so viel persönliche Belastung – ob das Podium verstehen könne, dass so manche Frauen sich das einfach nicht antun wollen, wird aus dem Publikum gefragt. Jede versteht, und doch appellieren alle: „Wir dürfen nicht aufgeben, wir dürfen uns nicht zurückziehen, wir müssen uns unseren Platz erkämpfen.“

Prävention und Rechtsschutz

Zurück zu den Verlagen als Arbeitgeber-Betriebe, zurück zu den Unternehmen ganz allgemein.  Nicht nur die betroffenen Frauen, auch die Unternehmen und Organisationen sind zu wenig vorbereitet auf Hass und Diffamierung, erinnert Claudia Gigler. Am Beispiel Föderl-Schmid: Es sei falsch gewesen, sie freizustellen, bis eine „Arbeitsgruppe“ intern die Vorwürfe kläre (diese tagt übrigens noch immer…) und damit das Werk der Diffamierer, nämlich die Beraubung um ihren Handlungsspielraum, selbst zu vollenden. Unternehmen und Organisationen fühlten sich oft selbst bedroht (im Falle von Medien etwa in Sachen Glaubwürdigkeit und Vertrauen der Leser:innen und User) und gingen eher auf Distanz zum Opfer als sich mit ihm zu solidarisieren. Hier brauche es Prävention und Schutzkonzepte.

Barbara Tóth stimmt zu und nennt eine der wichtigsten Maßnahmen, die Frauen schützt (und die auch ihr Arbeitgeber, der „Falter“ umsetzt): „Die Angegriffenen dürfen ihre Mails nicht selbst lesen müssen, andere müssen sie lesen, sortieren und rechtliche Maßnahmen einleiten.“

Daniela Kraus erinnert daran, dass vor allem Freie Journalistinnen nicht geschützt seien. Gigler ergänzt, dass auch der Wille großer Medienhäuser, ihre Journalist:innen nicht nur im Falle von Klagen zu verteidigen, sondern auch selbst Klagen gegen Dritte zum Schutze der Journalist:innen einzubringen, endenwollend sei.

Reden hilft, Solidarität schützt

Eine Erkenntnis nehmen Podium und Publikum an diesem Abend mit nach Hause: Reden hilft. Solidarität schützt. Und verstärkte Anstrengungen in Bezug auf Bewusstseinsbildung (auch innerhalb von Medienhäuserin und in den Reihen der Journalist:innen) sowie Medienkompetenz (beim Publikum) sind wichtiger denn je.

Einen praktischen Tipp von Volksanwältin Gaby Schwarz nehmen alle noch mit: Oft finden Verunglimpfungen ja auch nicht vor Publikum statt, sondern beispielsweise in Form von Mails, und eine Veröffentlichung der Identität des Aggressors wäre strafbar. „Dem Angreifer eine Antwort schicken, eine Vertrauensperson in cc nennen, darauf hoffen, dass der Angreifer in seiner Rage gleich eine Antwort an alle schickt – dann geschieht es vor Dritten, also quasi vor Publikum, und dann darf man den Täter auch nennen!“

Bild: Claudia Gigler, Daniela Kraus, Barbara Tóth und Martina Madner, © Katharina Schiffl


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