Zarter Hoffnungsschimmer am Equal Pay Day 2023: Ein deutsches Gerichtsurteil und eine EU-Richtlinie lassen hoffen, dass endlich auch in der DACH-Region die geschlechtsbezogene Lohndifferenz (Gender Pay Gap) sinkt.
Der große Einkommensunterschied zwischen Frauen und Männern (Gender Pay Gap) in Österreich, Deutschland und der Schweiz hat auch mit der mangelnden Gehaltstransparenz zu tun. Es ist schwierig, sich gegen Zurücksetzung zur Wehr zu setzen, wenn die Vergleichsbasis fehlt.
Im Jahr 2023 ist der 31. Oktober der Equal Pay Day in Österreich: An diesem Tag haben die Männer das Einkommen erreicht, für das die Frauen noch bis zum Jahresende arbeiten müssen. EU-weit wurde der Equal Pay Day 2023 für 15. November berechnet.
Eurostat weist Österreich mit einer Differenz von jeweils mehr als 18 Prozent den drittletzten Platz, der Schweiz den viertletzten, Deutschland den fünftletzten Platz innerhalb der EU zu, der Durchschnitt liegt bei 13 Prozent Differenz. Die Gründe dafür unter anderem: Mehr Frauen als Männer arbeiten im Niedriglohnsektor, Frauen unterbrechen öfter ihre Berufslaufbahn, Frauen haben weniger oft Führungsverantwortung.
Aber: Selbst wenn man diese Faktoren herausrechnet bleibt noch eine beträchtliche Gehaltslücke von 11,3 Prozent oder 6.000 Euro, wie die Recruiting-Plattform Stepstone in ihrem aktuellen Gehaltsreport für Österreich darlegt. Legt man den Berechnungen die tatsächlichen Einkünfte zugrunde, bezieht man also auch die vielen Teilzeitarbeitskräfte ein, liegt der Gender Pay Gap übrigens noch wesentlich höher.
Zwei Entwicklungen könnten dazu beitragen, dass zumindest bei gleichen Voraussetzungen diese Lücke kleiner wird:
Über Geld muss geredet werden
Zum einen trat im Laufe dieses Jahres die EU-Richtlinie zur Lohntransparenz in Kraft, die innerhalb von drei Jahren von den EU-Staaten umgesetzt werden muss. Arbeitgeber müssen Arbeitssuchende künftig über das Einstiegsgehalt oder die Entgeltspanne der ausgeschriebenen Position informieren. Sie müssen die Kriterien offenlegen, die zur Bestimmung des Entgelts und der Laufbahnentwicklung herangezogen werden. Die Kriterien müssen objektiv und geschlechtsneutral sein.
Recht auf Auskunft
Vor allem aber: Arbeitnehmer*innen haben künftig das Recht auf Auskunft über die durchschnittlichen Entgelthöhen für die Gruppe von Arbeitnehmer*innen, die gleiche oder gleichwertige Arbeit verrichten. Diese muss nach Geschlechtern aufgeschlüsselt sein. Über dieses Recht müssen sie jährlich informiert werden. Das Motto „Über Geld spricht man nicht“, das den Vergleich erschwert, gehört damit der Vergangenheit an.
Dazu kommen neue Berichtspflichten für die Unternehmen. Bei Feststellung eines Lohngefälles von mehr als fünf Prozent, das nicht durch objektive, geschlechtsneutrale Kriterien begründet werden kann, müssen die Organisationen Maßnahmen ergreifen. Bei Verstößen sieht die Richtlinie unter anderem Schadenersatz vor: Dazu gehört die vollständige Nachzahlung entgangener Entgelte und damit verbundener Boni und Sachleistungen. Die Beweislast liegt bei den Arbeitgebern.
Ein Turbo für gleichen Lohn
Der zweite Impuls geht von einem Urteil des deutschen Bundesarbeitsgerichtes von Februar 2023 aus: Das Gebot „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ gilt auch, wenn der Mann besser verhandelt. Die Juristin Luisa Hattendorf, die sich unter anderem im Deutschen Juristinnenbund (djb) für Entgeltgerechtigkeit engagiert, sieht darin einen „Meilenstein“: In einem Blogbeitrag für das Safi-Netzwerk feministischer Juristinnen vertritt sie die These, dass Frauen seltener in der Position seien, ihr Gehalt zu verhandeln, und wenn, dann erzielten sie signifikant schlechtere ökonomische Ergebnisse. Hattendorf verweist auf eine Reihe von Studien, die dies belegten.
Das deutsche Bundesarbeitsgericht verurteilte den ehemaligen Arbeitgeber der Klägerin dazu, die Lohndifferenz sowie eine Entschädigung zu zahlen. Die Begründung: Arbeitgeber könnten sich nicht darauf berufen, dass männliche Kollegen besser verhandelt hätten als Frauen, denn damit könnten sie sich leicht der Beachtung des Grundsatzes der geschlechtsbezogenen Entgeltgleichheit entziehen. Auf höhere Gehaltsforderungen darf auch künftig eingegangen werden, aber nur wenn diese durch objektive Kriterien begründbar sind, etwa mehr Berufserfahrung, bessere Qualifikationen oder längere Betriebszugehörigkeit.
Ein Hebel gegen die Abwertung
Diese Plattform beschäftigt sich mit Diffamierung von Frauen, der oft keine Bestrafung der Diffamierer folgt, sehr wohl aber eine Bestrafung der Opfer durch Erniedrigung und Abwertung, wie Zita Küng und Ulrike Reiche in ihren Beiträgen für die Safi-Konferenz 2023 ausführlich erörterten. Diese Abwertung drückt sich auch in Geld aus, in Form niedrigerer Gehälter oder Vorenthaltung von Führungspositionen. Nicht nur die Verursacher bleiben dabei oft im Nebel, sondern auch die Abwertung selbst ist schwer zu greifen und zu bekämpfen, wenn die Vergleichsbasis fehlt.
Mehr Transparenz, eine Objektivierung der Kriterien für Entgelt und Laufbahnentwicklung, soll eine neue Basis schaffen für eine treffsichere Analyse, der wirksame Maßnahmen folgen können.
Claudia Gigler, Oktober 2023
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